Allgemeine Informationen über Essstörungen

 

Essstörungen sind Erkrankungen mit massiven Folgeschäden für den Körper. Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen (Magersucht=Anorexie, Ess-Brechsucht=Bulimie, Binge-Eating=Essattacken ohne Gegenmassnahmen, siehe unten), wobei Mischformen häufig und die Übergänge fließend sind.
Ständiges Beschäftigen mit Essen bzw. Nicht- Essen führt zu einer Art Ersatzfunktion für Gefühle wie Wut, Trauer, Aggression, Sehnsucht, Lust o.ä.. Auch wenn sich sicherlich viele Essgestörte falsch ernähren, handelt es sich nicht um Ernährungsstörungen sondern um seelische / psychosomatische Erkrankungen mit einer hohen Sterblichkeitsrate und suchtähnlichem Charakter, bei deren Entstehung viele Faktoren, z.B. familiäre, gesellschaftliche, genetische Ursachen, zusammenwirken. Diäten können ein Einstieg sein.
Welche Essstörungen es gibt, woran man sie erkennt, was Über- bzw. Untergewicht bedeutet, Hinweise zu auffälligem Essverhalten, Tests, Tips, Rat und Hilfe an Ihrem Ort und vieles mehr finden Sie auf den sehr informativen Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Familien mit einem essgestörten Kind brauchen in der Regel zusätzlich zur medizinischen Behandlung der Kranken (die in vielfältigen Formen angeboten wird) Unterstützung und Entlastung, zum Beispiel durch eine Beratung, eine Gesprächsgruppe für Eltern oder ein spezielles Wohn- und Betreuungsangebot nach einem Klinikaufenthalt.

Übergewicht allein wird nicht als Essstörung bezeichnet, wenn es auch erhebliche Krankheitsfolgen nach sich ziehen kann.

Wichtig: Wenn Sie sich fragen, ob Sie selbst oder ein/e Angehörige/r an einer Essstörung leidet, lassen Sie sich von einer Beratungsstelle informieren und suchen Sie gegebenfalls eine/n Arzt/Ärztin bzw. eine der Ambulanzen auf. Hierbei soll Ihnen das Angebot auf dieser  Seite helfen.


Magersucht / Anorexia nervosa

Bei der Magersucht reduzieren die Betroffenen ihre Nahrungszufuhr auf ein Minimum. Sie leiden an einer Körperschemastörung – sie nehmen sich trotz ihres Untergewichts als zu dick wahr. Die Gedanken der Kranken sind eingeengt und drehen sich nur um die Themen Ernährung und Gewicht. Bis zu 15% der Erkrankten sterben daran, entweder durch Infektionen, Herzprobleme oder auch durch Selbstmord. Die Kranken haben oft eine niedrige Körpertemperatur und sie sind sehr kälteempfindlich, weil der Körper den Stoffwechsel reduziert. Es kommt ausserdem zu Wachstumsstop, fehlender Brustentwicklung, kindlichen Genitalien und Ausbleiben der Regelblutung.

Ursachen

  • Erbliche Disposition
  • familiäre Konflikte
  • Mangelndes Selbstwertgefühl
  • gesellschaftliche Faktoren, z.B. Schlankheitsideal
  • Mobbing
  • Psychische Traumatisierungen wie sexueller Missbrauch oder Misshandlung

Körperliche Folgen

  • Verlangsamter Herzschlag
  • Niedriger Blutdruck
  • Veränderungen bei Erregung des Herzmuskels
  • Herzrhythmusstörungen worauf ein plötzlicher Herztod folgen kann
  • Unfruchtbarkeit – Osteoporose mit erhöhtem Risiko auf Knochenbruch
  • Zahnerosionen durch Magensäure, Karies
  • Chronische Verstopfung, Magenkrämpfe, Übelkeit, Nierenversagen, Blasenschwäche
  • Wachstum von “Lanugohaaren” (Haarflaum der normalerweise nur beim Ungeborenen im Bauch der Mutter bedeckt)
  • Verlust an zu erwartender Lebensdauer

Kriterien laut ICD 10

(neueste “International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems”)
Das Körpergewicht liegt 15 % unter dem erwarteten Gewicht oder unter BMI von 17,5.
Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch das Vermeiden von hoch kalorischen Speisen, Einschränkungen der Nahrungsaufnahme und eine oder mehrere der folgenden Möglichkeiten:

  • selbst herbeigeführtes Erbrechen
  • selbst herbeigeführtes Abführen
  • übertriebene körperliche Aktivitäten
  • Gebrauch von Appetitzüglern und/oder Entwässerungsmitteln
  • Körperschemastörung: Die Angst, zu dick zu werden, besteht als eine tief verwurzelte, überwertige Idee. Die Betroffenen legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst an.
  • Verringerte und veränderte Hormonproduktion: führt bei Frauen zu einem Aussetzen der Regelblutung (Amenorrhö), bei Männern zu einem Verlust von sexuellem Verlangen und Potenz.

Beginnt die Erkrankung vor der Pubertät, sind die entsprechenden Entwicklungsschritte verzögert oder gehemmt (s.o.).


Ess-Brechsucht / Bulimia nervosa

Das typische Merkmal der Ess- Brechsucht ist das Auftreten sog. Heißhungerattacken, die direkt danach ungeschehen gemacht werden (z.B. durch selbstinduziertes Erbrechen, Hungern, oder den Mißbrauch von Abführ- und/oder Brechmitteln, Sport, …)
Auslöser für den Heißhunger sind oft emotionale Faktoren, psychischer Stress, Unzufriedenheit mit der eigenen Person, starke Gefühle von Verlassenheit. In der Vorgeschichte finden sich häufig Episoden der Magersucht. Die Betroffenen haben während der Essanfälle das Gefühl, die Kontrolle über sich selbst und über die Nahrungsmengen, die sie zu sich nehmen, zu verlieren. Das darauf folgende Ungeschehen- Machen erfolgt, um negative Gefühle wie Angst (z.B. vor Zunahme) oder Scham (z.B. über den Kontrollverlust) zu bewältigen.
Die Erkrankten leiden oft ebenfalls an einer gestörten Selbstwahrnehmung und/oder einer Körperschemastörung.

Ursachen

Die Ursachen der Bulimie ähneln der Magersucht (siehe dort). Die häufigsten Begleiterkrankungen sind

  • Missbrauch von Alkohol, Drogen, Nikotin, Medikamenten
  • Autoaggressives Verhalten / selbstverletzendes Verhalten
  • Übertriebenes Geldausgeben, Frustkäufe, Kaufsucht, Ladendiebstahl
  • Soziale Isolation, Karrieredrang, Überanpassung an Gruppe/Familie
  • Depressionen und Minderwertigkeitsgefühle, große Unzufriedenheit mit sich selbst oder über die eigene Geschlechterrolle

Körperliche Folgen

Die körperlichen Folgen einer Bulimie ähneln denen der Magersucht, allerdings sind viele Bulimiker/innen normalgewichtig. Es kann zu Magenerweiterungen, Magenruptur (Riß) und Entzündungen der Speiseröhre kommen oder auch zu Herzproblemen, Nierenschäden oder Veränderungen des Gehirns.

Kriterien laut ICD 10

  • andauernde Beschäftigung mit dem Essen
  • unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln,
  • Essattacken, bei denen große Mengen an Nahrung in kurzer Zeit gegessen werden
  • Vermeidung von Gewichtszunahme durch: selbst herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln und Brechmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Einnahme von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten, Entwässerungsmitteln
  • krankhafte Furcht, “zu dick” zu werden

In der Vorgeschichte finden sich häufig Episoden von Anorexie. Diese können voll ausgeprägt oder verdeckt bei mäßigen Gewichtsverlust und/oder vorübergehendem Aussetzen der Regelblutung gewesen sein.


Binge-Eating-Disorder / Essattacken ohne Gegenmassnahmen

Die Binge-Eating-Disorder ist eine Essstörung bei der es zu wiederholten Heißhungeranfällen und „Fressattacken“ kommt. Hier werden enorme Nahrungsmengen ohne Hungergefühl in kurzer Zeit gegessen, dies wird aber hinterher nicht ungeschehen gemacht. Während des Essens besteht das meist stark schambesetzte Gefühl des Kontrollverlustes über das eigene Verhalten. Aufgrund der Schamgefühle essen die Betroffenen i.d.R. allein; im Nachhinein treten Gefühle von Selbstekel, Deprimiertheit oder starker Schuld auf.
Diese „Fessanfälle“ treten über sechs Monate an mindestens 2 Tagen in der Woche auf.

Bei dieser Krankheit ist meist Übergewicht die Folge. Wie Bulimiker/-innen verschweigen „Binge Eater“ in der Regel anderen ihr gestörtes Essverhalten, auch Freunden und Familienangehörigen. Psychologen/-Innen gehen davon aus, dass das Essen die Funktion hat, unangenehme Empfindungen zu unterdrücken. Demnach handelt es sich bei „Binge Eating“ um eine Form von Vermeidungsverhalten.

Ursachen

  • Über die Ursachen von Binge-Eating gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse
  • Etwa die Hälfte der Betroffenen litten oder leiden unter Depressionen. Es ist nicht geklärt, ob die Depression die Esssucht hervorruft oder umgekehrt
  • Auch der Zusammenhang zwischen Diäten und Binge-Eating ist noch nicht geklärt
  • Emotionen wie Ärger, Wut, Trauer, Langeweile, Angst oder Stress können Essanfälle auslösen

Verhaltensauffälligkeiten

  • Wiederholte unkontrollierbare Essanfälle
  • Gestörtes Essverhalten zwischen den Anfällen: Abwechselnd kontrolliertes und unkontrolliertes Essverhalten und/oder unregelmäßige Ernährung,
  • Essen zum Stressabbau oder als Stimmungsaufheller
  • Nahrungsmittelmenge und Dauer pro Essanfall können stark variieren
  • Verbreitet unter normalgewichtigen als auch bei adipösen Patienten

Psychische Symptome

  • Körperschemastörung
  • Wahrnehmungsstörungen bezüglich Hunger- und Sättigungsgefühl
  • Grübeln über Nahrungszufuhr, Figur und Gewicht
  • Angststörungen
  • Depressionen
  • Abhängigkeiten (Alkohol, Medikamente, Drogen)
  • Persönlichkeitsstörungen

Folgen

  • keine gesicherten Erkenntnisse, sehr wahrscheinlich ähnlich wie bei den anderen Essstörungen.

Übergewicht / Adipositas

Übergewicht ist eine Gesundheitsstörung, die durch übermäßige Ansammlung von Fettgewebe im Körper gekennzeichnet ist (keine psychogene Essstörung).
Das klassische Übergewicht tritt am häufigsten in industrialisierten Ländern auf, wo nur noch wenige Menschen körperlich anstrengende Arbeit verrichten und Nahrung im Überfluss vorhanden ist.

Ursachen

  • Überernährung
  • geringer Energieverbrauch durch wenig körperliche Aktivität / Bewegungsmangel
  • Befriedigungsverhalten (Naschen)
  • Stoffwechselstörungen – Schlafmangel / Nachtarbeit
  • Nebenwirkung von Medikamenten (Kortison, Psychopharmaka, Antidepressiva)

Verstärkt werden diese Ursachen durch Werbung für hoch kalorienreiche Lebensmittel wie z.B. Alkohol, Süßigkeiten, Fette, Fertiggerichte, Fast Food wie auch durch deren dauernde kostengünstige Verfügbarkeit.

Folgen / Begleit- und Folgemorbididtät

  • Herz- Kreislauferkrankungen
  • Diabetes
  • Fettstoffwechselstörungen
  • Bluthochdruck
  • Speiseröhrenentzündung
  • Arteriosklerose, Schlaganfälle
  • Brustkrebs,
  • Arthrose, degenerative Erkrankungen des Halte- und Bewegungsapparates
  • Gallenblasenerkrankungen
  • Gicht
  • Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (Erstickungsanfälle im Schlaf)
  • Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit und für Demenzerkrankungen
  • seelische Folgen:
    Das Gefühl der Betroffenen, Versager und Außenseiter zu sein sowie soziale und berufliche Ausgrenzung treten häufig auf; bedingen und verstärken sich gegenseitig.
    Adipositas kann beispielsweise einer Einstellung in den öffentlichen Dienst oder einer Verbeamtung entgegenstehen.